Buchvorstellung
  "Saraswathi" von Dr. K. Parvathi Kumar
 
Jedes Prinzip in der Schöpfung wird in der esoterischen Welt als Gottheit betrachtet. Die Göttin des Wortes wird Saraswathî genannt. Wörtlich übersetzt bedeutet dies 'der Fluss'. Es ist der Fluss der Energie als Bewusstsein, der auch 'das Wort' genannt wird. Von den alten Sehern wurde das Wort als Hintergrund alles Erschaffenen erkannt. Es kommt aus der reinen Existenz hervor. Jede Schrift misst dem Wort höchste Bedeutung bei, weil es periodisch hervortritt und sich in vielfältigen Formen manifestiert, um immer wieder zu seinem Ursprung, zur reinen Existenz, zurückzukehren.
Ein Auszug - Kapitel 4 - aus diesem Anfang September 2003 in der 11. zunehmenden Mondphase im Zeichen Jungfrau neu erscheinenden Buch:
 
Saraswathî Sûktam
4. Hymne

 
Prano Devî Saraswathî
Vâjebhir Vâjinîvathi
Dhî Nâm Avitriyavathu
 
Möge der Fluss des Wortes,
dessen Geschwindigkeit und
Aufnahmefähigkeit
unermesslich sind,
unseren Willen leiten und
uns immer und überall beschützen.
 
Die Fähigkeit zu assimilieren
 
"Möge der Fluss des Wortes,
dessen Geschwindigkeit
unermesslich ist ..."
 
Das Bild von der Geschwindigkeit wird in der Hymne oft wiederholt, um uns an unsere Fähigkeit zu erinnern, dass wir mit Hilfe des Wortes an jedem Ort des Universums sein können.
Der Name Saraswathî bedeutet 'der Fluss des Wortes'. Jeder Wasserfluss wird als Saraswathî betrachtet, weil sein Fließen und seine Geschwindigkeit sichtbar sind. Das Sanskrit-Wort dafür ist Vâjinîvathi. Die Seher möchten in uns das Wissen begründen, dass es zum Potential des Wortes gehört, uns zu ermöglichen, überall sein zu können, wo wir wollen.
Das höchste Gewahrsein ist ohne Entfernung und Zeit. Es ist zeitlos und entfernungslos, weder nah noch fern, hat weder Vergangenheit noch Zukunft und ist überall und jederzeit gegenwärtig. Es ist allumfassend und nimmt alles in sich auf. Es ist hier, dort und überall. Es ist, war und wird sein. Es ist ein durchdringendes Sein in Ewigkeit. So ist die Geschwindigkeit des Wortes und seine Aufnahmefähigkeit. Solange sich unsere Fähigkeit, das Potential des Wortes zu assimilieren, nicht steigert, ist es zu abstrakt, als dass wir es verstehen könnten.
Diese Hymne führt eine weitere Eigenschaft des Wortes ein: die Fähigkeit aufzunehmen, zu assimilieren. Hat die Aufnahmefähigkeit ihre Grenze erreicht, entsteht Widerstand in uns, und das führt dazu, dass wir einschlafen. Wenn einmal unsere Aufnahmefähigkeit vollkommen ist, schlafen wir nicht mehr. Ein Seher oder ein Yogî schläft niemals. Er ruht seinen Körper nur aus. Dieses Ideal des Aufnahmevermögens kann das Wort uns schenken. Richtiges und regelmäßiges Anstimmen des Wortes vergrößert unsere Fähigkeit aufzunehmen, zu verstehen und zu erkennen.
Aufnahme ist zweifach: Wir nehmen Wissen und Nahrung auf. Die Arbeit mit dem Wort entwickelt beides. Wenn wir zum richtigen Zeitpunkt nicht hungrig sind, bedeutet es, dass die Nahrung nicht gut aufgenommen wird. Es gibt Seher, die gezeigt haben, dass sie endlos essen können, und es gibt vedische Gelehrte, die zehn Mal mehr als normal essen. Ihre Stimme benötigt keine Verstärker. Wenn sie zu singen anfangen, müssen die technischen Verstärker ausgeschaltet werden. Ihr Gesang kann eine Gruppe von 5000 Menschen erreichen, ohne dass sie dafür Verstärker zu Hilfe nehmen müssen.
Durch den heiligen Klang des Wortes wird jeder Wissenszweig zugänglich. Die Fähigkeit, Wissen aufzunehmen, wird unermesslich. In dem Buch 'Spirituelle Astrologie' von Meister E. Krishnamacharya wird im Kapitel über das Sonnenzeichen Löwe erklärt, wie wichtig es ist, jeden Tag eine Stunde lang mit dem Klang zu arbeiten. Dort heißt es: "Der Schüler der ersten drei Stufen sollte die Gebete laut sprechen, damit er sein Denken auf seinen eigenen Klang richten kann und auf das, was dieser in ihm bewirkt. Die Wirkung der Klänge im Gebet ist Gott, die Form von Gott entspricht dem Erkenntnisvermögen des Jüngers. Der eigentlich hörbare Ton ist der dreiköpfige Hund des Löwen. Musikalische Äußerung benötigt als Träger den Klang, der sich aus drei Haupttonleitern mit je sieben Unterteilungen zusammensetzt. 'Es gibt sieben Schichten (des Klanges) und drei mal sieben sind die Brennhölzer für Purusha.' In diesem Stadium wirken Mantren nur als Klangvibrationen. Indem der Schüler seine Stimme allmählich der Musik angleicht, wird seine Stimme vom Klang des niederen Löwen zur Musik des Krebses und dann zur Regulierung des Prâna in den Zwillingen emporgehoben. Erst dann kann er die Stimme des Stiers hervorbringen. Das Wort eines Durchschnittsmenschen hat keinerlei Wirkung auf andere, außer durch seine Motive. Dieser Zustand wird vom Löwen dargestellt, der in einem 90-Grad-Winkel zum Stier steht. Wenn dieser vierte Teil des Kreises auf dem Weg des umgekehrtes Prozesses (dem Pfad der Äquinoktien) vom Studenten durchschritten wurde, ist sein Wort nicht mehr von eigenen Motiven bestimmt. Er spricht das Wort der Liebe, das die Umwandlung der Mitmenschen leitet und unterstützt."*
Die Verehrung der Gottheit des Wortes ist nichts anderes als stundenlanges regelmäßiges hingebungsvolles Singen heiliger Klänge. Manche Leute schlafen ein, während sie solchen anhaltenden Gesängen zuhören. Sie haben die Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit erreicht. Daher heißt es in der Hymne:
 
"Möge der Fluss des Wortes, dessen Geschwindigkeit
und Aufnahmefähigkeit
unermesslich sind,
über unseren Willen herrschen und uns immer
und überall beschützen."
 
Wir bitten das Wort, dass wir genügend Verstehen entwickeln, damit es unseren Willen leiten möge. Die universale Seele ist das erste Ausströmen als das Wort, und die individuellen Seelen sind die sekundären Ausströmungen. Das Wort als universale Seele kennt den Plan. Es ist aus dem Ursprung hervorgekommen und arbeitet für den Plan. Regelmäßiges und tägliches Anrufen des Wortes durch heilige Klänge führt zur Einstimmung auf den universalen Willen, so dass er uns leitet. Wir werden uns mehr der Tatsache bewusst, dass wir unser Leben nicht als individueller Mensch führen. Wenn uns der Wille des Vaters leitet, sind wir Medien, die das Fließen des Willens ermöglichen. Auf diese Weise wird der Plan erfüllt, die Arbeit wird erfüllt. So müssen wir den uralten Spruch verstehen: "Vater, dein Wille geschehe, nicht meiner."
Die Schöpfung ist bereits gewollt. Lange bevor wir in die Existenz traten, war sie gewollt. Wir sind gekommen, um unsere Rolle im Plan zu spielen. Also müssen wir den Plan kennen lernen und unsere Rolle übernehmen. Wir müssen sie gut und mit vollem Wissen, voller Absicht und freudig spielen. Deshalb ist es notwendig, das Wissen, das Know-how im Zusammenhang mit dem Schöpfungsplan, zu kennen, bevor wir zu spielen anfangen.
Wir können nicht auf das Spielfeld gehen, ohne das Spiel zu kennen. Falls wir es doch tun, machen wir Fehler und verlieren. Wir verlieren die Freude und geraten in Konflikte. Es ist schrecklich, auf dem Spielfeld zu stehen und das S piel nicht zu kennen, nicht wahr? Daher müssen wir uns selbst von der Unwissenheit zum Wissen und vom Wissen zur Seligkeit des Spiels führen. Wissen verleiht Stärke sowie die Fähigkeit, dem Plan zu dienen, und Wissen schenkt größeres Verstehen, das zur Erkenntnis führt. Erkenntnis bringt Mitgefühl, Mitgefühl führt zur Liebe, und Liebe führt zum Einssein. So ist der Ablauf.
Wenn wir also das Leben, das Spielfeld betreten, sollten wir das Spiel kennen. Das ist der Zweck von Erziehung und Ausbildung. Es ist das eigentliche Ziel der Ausbildung: das Wissen vom Leben mitzuteilen, wie man harmonisch, voller Freude und Seligkeit lebt. Heilige und Weise sagen, dass das Leben ein Gesang, ein Tanz, ein Spiel ist. Solange nicht das erforderliche Wissen in Erziehung und Ausbildung vermittelt wird, muss der Mensch versagen. Dann entstehen sehr merkwürdige Fragen, zum Beispiel: "Warum gibt es diese Schöpfung überhaupt? Warum gibt es Schmerz, Böses, Kummer? Warum gibt es Bosheit? Warum sollten wir ethischen Grundsätzen folgen?" Usw., usw.
In diese Richtung geht die moderne Erziehung. Sie lehrt Konkurrenz, Aggression, anderen immer eine Nasenlänge voraus zu sein, Gier und Machtstreben. All das sind Bereiche, in denen es weder Frieden noch Harmonie gibt. Die Erziehung zum Leben muss gleichzeitig mit der modernen Erziehung gelehrt werden. Ansonsten bleibt die Menschheit alles andere als weise.
Bitte denke daran: "Die Schöpfung wurde geplant, lange bevor du kamst. In Übereinstimmung mit dem Schöpfungsplan kannst du für dich selbst planen. Die Schöpfung ist für alle. Auch dein Plan sollte dem Wohlergehen aller dienen. Planst du für dich selbst und arbeitest du dementsprechend, dann schaffst du dein Schicksal. Später arbeitest du für dein Schicksal und nicht für den Plan."*
Konflikt, Unwissenheit und Egoismus entstehen aus einem derart unwissenden Plan. Deshalb brauchen wir das Wissen, und wir müssen uns auf den Willen einstimmen. Möge der Wille Gottes unsere kleinen Willen leiten. Dann sind wir immer und überall beschützt. Wenn wir also das Wort jeden Tag richtig anrufen, vergrößert sich unsere Aufnahmekapazität in Bezug auf Wissen und Nahrung. Das Wort soll uns führen, so dass unser Wille wachsam wird und wir stets beschützt sind. Das ist auch die wesentliche Bedeutung des Gâyatrî Mahâ Mantra.
Von allen 18 Hymnen schlage ich diese mit ihrer Bedeutung für den täglichen Gesang vor. Das bewirkt viel Gutes. Während wir singen, spüren wir vom Sahasrâra zum Mûlâdhâra das Fließen durch Sushumnâ, Idâ und Pingalâ. Wir stellen uns diesen Fluss vor, und das wird zur Visualisation führen. Wir kontemplieren, wie der Fluss von oben nach unten verläuft. Auf diese Weise sollten wir die Anrufung durchführen.
Diese Hymne ist nach der Formel des Gâyatrî Mantras komponiert. In den Hymnen der Rig Veda gibt es verschiedene Formeln, und die Gâyatrî gilt als die Königin der Metren. Die Hymne besteht aus drei Zeilen zu je acht Silben. In der Bhagavad Gîtâ sagt Lord Krishna: "Unter den Metren bin Ich die Gâyatrî."* Handelt es sich um ein achtsilbiges Mantra, dann spricht es immer von dem Einen jenseits der sieben Ebenen, von dem Achten.

 
 
Feder