Buchvorstellung
Feder
  "Weisheitsgeschichten" von Dr. Ekkirala Krishnamacharya
  
Weisheitsgeschichten 
vorgestellt durch Dr. K. Parvathi Kumar
 
Schon immer galten Geschichten als bezauberndste Art der Weisheitsübermittlung. Daher ist dieses Prinzip uralt. Die Seher aller Zeiten vermittelten komplizierte Weisheitsprinzipien durch erhellende und einfache Geschichten. Für Hörer und Leser waren sie interessant. Wenn die Geschichten gut erzählt werden, hören die Menschen sehr aufmerksam zu. Ein guter Lehrer ist auch ein guter Geschichtenerzähler. Meister EK war für seine Erzählkunst bekannt. Zum Teil spielte er sogar seine Geschichten, während er sie erzählte, und die Zuhörer waren von der Geschichte und ihrer Darstellung gefesselt. Man wusste, dass er viele Dimensionen des Lebens meisterhaft beherrschte, und seine Erzähltechnik war herausragend. Wer ihm zuhörte, erinnert sich bis heute an die Geschichten, an die Weisheitsprinzipien dahinter, an die Art seiner Aussprache und an sein Gebärdenspiel beim Erzählen. Durch seine Lehren inspirierte Meister EK viele Menschen, sich auf den Weg der Rechtschaffenheit zu begeben, und unweigerlich erzählte er bei jedem Vortrag auch eine Geschichte. Wenn er über Homöopathie sprach, konnten sich die Zuhörer aufgrund seiner Beschreibung des Medikaments, das er verabreichte, einen Patienten vorstellen. Das war eine seiner besonderen Fähigkeiten. Unermüdlich sammeln die Anhänger von Meister EK seine Lehren und veröffentlichen sie. Dieses Ritual setzen sie sogar noch heute fort - 19 Jahre, nachdem der Meister seinen Körper verließ. Das zeugt von dem tiefen Eindruck, den er im Bewusstsein seiner jungen Schüler hinterließ. Jene, die inspiriert wurden, sammeln die Lehren des Meisters in jeder Form und jeder Sprache. Sie bringen sie in eine Ordnung, zeichnen sie auf und veröffentlichen sie. Die Gruppe seiner Anhänger, die die Werke von Meister EK zusammenstellt, kann stolz auf die vorliegende Sammlung von 40 Geschichten sein. Jede der so entstandenen Veröffentlichungen ist ein symbolischer Segen des Meisters.
Mögen diese Geschichten den Lesern helfen, Weisheitsschlüssel zu finden, die ihr Verstehen bereichern.
Es folgt eine Geschichte aus diesem Buch:

 

Die Berührung des Weisen
 
Der Himmel über dem Dorf atmete den Namen von Lord Krishna, während die vielen Menschen aus dem Dorf in einer Prozession gingen und dabei den heiligen Namen sangen. Die Straßen waren vom Menschenstrom überflutet, und die Prozession bewegte sich langsam und majestätisch vorwärts. Es war, als würde der Wagen Tausende von Menschen ausatmen, während er gleichzeitig die Menschenmenge wie eine feste Masse weiterschob. Es war die Szene des jährlichen Wagenfestes des Herrn.
Ein kräftiger, großer, schwerer Mann, der ordentlich gekleidet war, schaute durch seine Goldrand-Brille auf eine Stelle, die seine Aufmerksamkeit anzog. Er trug einen edlen Handkoffer, in dem er Geld und einige wichtige Papiere hatte. In seiner Tasche befand sich eine Geldbörse von mittlerer Größe, die einen kleinen Geldbetrag in verschiedenen Banknoten enthielt.
Während er sich vorsichtig in der Menschenmenge bewegte, sah er einen Sâdhu von etwa 18 Jahren, der in Padmâsana-Haltung saß und ein Handtuch vor sich ausgebreitet hatte. Offensichtlich war er ein Bettler, aber sein Gesicht sah anders aus. Sein Ausdruck war von Zufriedenheit erfüllt, und seine Augen suchten in der Menge nach etwas. Mit Sicherheit suchten sie nicht nach den wenigen Münzen, die ihm von den Pilgern aus Barmherzigkeit zugeworfen wurden. Die Augen achteten nie darauf, ob etwas auf das vor ihm liegende Handtuch geworfen wurde. Er schaute in die Augen der Vorübergehenden und warf den Augen, die er erhaschen konnte, ein faszinierendes Lächeln zu. Jene, die ihn bemerkten, warfen ihm kleine Münzen zu, um ihm zu einem Essen zu verhelfen.
Damodar, der reiche Mann, ging an dem Sâdhu vorbei, und seine Augen wurden von den klaren, lächelnden, glänzenden Augen des Sâdhu eingefangen. Trotzdem gelang es Damodar, der Versuchung zu widerstehen, auch ein paar Münzen zu werfen, und er drängelte sich weiter vorwärts. Der Versuchung, sich noch einmal umzusehen, konnte er jedoch nicht widerstehen. Und siehe da! Er entdeckte etwas Seltsames und Interessantes. Der Sâdhu las die Münzen auf, die ihm hin und wieder von den Pilgern zugeworfen wurden. Wo versteckte oder sammelte er die Münzen? Der Sâdhu war fast nackt. Er trug nichts als ein Kaupin, ein Lendentuch. Hunderte von Münzen warfen die Pilger auf das Handtuch, die er sofort aufsammelte. Trotzdem waren seine Hände immer leer und frisch. Es schien, als würden die Münzen in seinen Handflächen verschwinden. Seltsam! Bisher hatte Damodar Sâdhus gesehen, die Gegenstände aus ihren Handflächen hervorholen konnten, und jetzt sah er einen, in dessen Händen die Münzen verschwanden.
Mit verstohlenem Blick ging Damodar zurück, um noch einmal an dem Sâdhu vorbeizugehen. Dabei entdeckte er etwas Unerwartetes. Sobald der junge Sâdhu die Münzen aufgesammelt hatte, warf er sie wieder in die Menschenmenge zurück. War er verrückt? Oder war er Gott? Da die Menschenmenge so unglaublich groß war und die einzelnen Menschen in der Masse ständig weitergedrängt wurden, konnten die Münzen, die der Sâdhu zurückwarf, unmöglich von denselben Personen aufgefangen werden, die sie geworfen hatten. Einige warfen ihm die Münzen zu, während andere sie von ihm empfingen. Wer Münzen geworfen hatte, konnte ganz offensichtlich nicht erkennen, dass die Münzen zurückkehrten. Ein paar Kinder von armen Eltern hielten sich in seiner Nähe auf, um die Münzen aufzufangen. Immer wieder liefen sie um den Sâdhu herum und sammelten die Münzen auf.
Damodar konnte nicht anders - nachdem er vorbeigegangen war, musste er sich noch einmal umdrehen. Jetzt erkannte er noch etwas Seltsames! Sobald der Sâdhu die Münzen berührte, verwandelten sie sich, bevor er sie zurückwarf, in Goldmünzen. Ganz offensichtlich sammelten die armen Kinder Goldmünzen auf, während die Pilger Kupfer- und Nickelmünzen warfen. Damodars Aufmerksamkeit war gefesselt. Noch einmal ging er zurück, zog die Geldbörse aus seiner Tasche, öffnete sie und sah, dass nur Geldscheine und keine Münzen darin waren. Er strich über die Geldscheine in der Börse und dachte nach. "Ich kenne deinen Zweifel", sagte der Sâdhu unvermittelt zu Damodar und verblüffte ihn mit seinen Worten. "Sogar Geldscheine können durch meine Berührung in Gold verwandelt werden. Du musst nur dafür sorgen, dass du sie auch auffangen kannst, wenn ich sie zurückwerfe. Die Welt ist ein berstendes, konkurrierendes Gedränge. Pass auf, dass dich niemand auf die Seite drängt und dein in Gold verwandeltes Geld auffängt, wenn ich es zurückwerfe."
Damodar stand zwei Minuten da, versunken in Unschlüssigkeit. Schließlich wollte er eine, zwei oder drei seiner 100-Rupien-Scheine werfen, um es zu probieren. Doch vorher wartete er noch ein paar Minuten, um auf Kosten der anderen Leute die Richtigkeit zu überprüfen. Er wollte erst ganz sicher gehen und es anschließend wagen. Er entschloss sich und zählte ein, zwei oder drei seiner 100-Rupien-Scheine ab, um sie dem Sâdhu zuzuwerfen.
"Zählen disqualifiziert. Wer zählt, erhält kein Gold. Mein Siddhi erfüllt sich nur für jene, die Geld werfen, ohne darauf zu schauen. Wirf die ganze Geldbörse und versuche dein Glück. Du hast noch eine größere Geldbörse in deiner Tasche. Wirf die ganze Tasche, ohne sie aufzumachen, und dann sieh, ob alles für dich zu Gold geworden ist", sagte der Sâdhu lächelnd.
Damodar war unschlüssig. Es schien, als würde der Sâdhu mit kleinen Münzen experimentieren, um größere Geldbeträge zu erbeuten. Bestand nicht das Risiko, dass der Sâdhu mit der Tasche verschwand? Aber gleichzeitig wusste Damodar, dass er eine große Gelegenheit verpassen würde, falls sein Zweifel unbegründet war. Wann immer er Geld investieren wollte, barg jedes große Geschäft das gleiche Risiko. Jetzt war er sich nicht sicher, wie viel Geld er in seiner Geldbörse und in der Tasche hatte. Zu Hause hatte er nicht gesehen, ob seine Frau die 50000 Rupien in seine Tasche gesteckt hatte oder nicht.
"Sâdhu Maharaj! Kann ich dich morgen noch einmal treffen? Ich möchte dir die Tasche mit einem noch größeren Geldbetrag zuwerfen", sagte Damodar und faltete seine Hände zu einem Gruß.
"Ich bin heute hier. Ich habe kein Morgen. Ich weiß nicht, wo ich morgen sitzen werde. Es hängt ganz von dem Fest des Tages ab", antwortete der Sâdhu, während er sich wieder damit beschäftigte, die Münzen von seinem Handtuch aufzusammeln und sie jenen zuzuwerfen, die sie aufsammeln konnten.

 
Feder Feder